Mittwoch, 6. Dezember: Alles voller Nikoläuse

Das Büro der Schuldirektorin ist riesig. Mit Bibliothek und Urkundenwand ist es wahrscheinlich einzig dazu da, Menschen zu beeindrucken. 

Sinas Eltern jedenfalls schienen beim Vorstellungsgespräch sehr beeindruckt und äußerst kleinlaut. Oder waren sie einfach erschöpft von der langen Autofahrt? Zumindest sagten sie nichts. Fast nichts. Viel weniger jedenfalls, als man von Eltern erwarten würde, die überlegen, ihre Tochter von einer normalen Schule abzumelden und auf ein Internat zu schicken.

Heute morgen sind Sinas Augen ungefähr so klein wie Frau Dr. Döpfners schmallippiger Mund, der, ohne irgendetwas laut zu sagen, laut zu schreien scheint: 

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist, du kleiner, nichtsnutziger Lappen! Und warum fliegst du in meiner Schule über dem Vertretungsplan herum?“ 

Apropos nichtsnutzig. Dass Sina nicht gut geschlafen hat, versteht sich fast von selbst. Heute Nacht allerdings hat sie auch Anika und Betül auf Trab gehalten. Zweimal mussten sie Sina davon abhalten, während ihrer Schlafwandel-Phasen auf Kess herumzuklettern und dabei Kess oder sich selbst irgend etwas abzubrechen. Und als sie nach dem zweiten Mal um sechs Uhr morgens alle nicht mehr schlafen konnten, redeten sie zum x-ten Mal über den Vorfall am Vertretungsplan, bei dem weder Annika noch Betül irgend etwas von einer Weihnachtshexe gesehen hatten. 

Die einzige Sache, bei der sich alle drei einig waren, war die Alien-Frage: Wieso war der Typ so spät am Abend noch im Schulgebäude? Er hatte keinen Grund dazu, im Gegenteil: Es ist sogar strickt verboten, sich im jeweiligen anderen Gebäudeteil herumzutreiben. Aliens bleiben in in ihrem schicken Neubau, die Schwarze Klasse unten im Altbau. 

Über all das denkt Sina nach, als sie an der schlecht gelaunten Döpfner vorbei zum Konferenztisch schaut und ihr fast die Augen aus dem Kopf fallen: Am Tisch fläzt sich eine gewisse Beffaná Grimm. Die scheint ebenso müde wie die anderen zu sein und hat eine ebenso bescheidene Laune.  

„Kaffee, böäh!“ Grimm zieht eine Grimasse, während sie an einer silberfarbenen Thermoskanne schnüffelt. „Magst Du Kaffee, Sina?“

Sina schüttelt den Kopf. Warum hat niemand aus der Schwarzen Klasse diese Hexe bisher gesehen, und bei Döpfner ihm Büro sitzt sie dann plötzlich herum, als sei es völlig normal? Moment, kann Döpfner sie denn sehen?

Und ob! Döpfner nimmt Grimm die Kanne aus der Hand und knallt sie entnervt auf den Tisch.

„Trink gefälligst Kaffee, Bee! Oder lass es. Oder mach aus der Plörre hier deinen verdammten Tee. Kannst du das etwa nicht?“

Oh ha! Nicht Frau Grimm oder Beffaná, sondern Bee. Eigentlich ganz cool, denkt Sina. Jedenfalls kennen die beiden sich schon länger, das ist klar. Dann wird Sina von Döpfner angepflaumt:

„Setzt dich endlich, wir haben nicht viel Zeit!“

Draußen ist es grau. Der Blick aus dem Direktorinnen-Fenster geht auf den Innenhof des Gebäudes. Bevor sie sich hinsetzt sieht Sina, dass unten das Essen angeliefert wird. Auf dem Bulli steht Gemüsekiste. Sina hasst Gemüse und alles, was damit zusammenhängt. Den ganzen healthy lifestyle shit, den Menschen damit abziehen. Frauen vor allem. Wahrscheinlich tut sie dem Gemüse unrecht. Wahrscheinlich hasst sie nur die Frauen. Zumindest die mit dem Gesundheitstick. Ach, Blödsinn.  Eigentlich ist Sina einfach nur müde und hasst alles außer ihrem Bett und ihrer Decke.

Döpfner setzt sich als letzte an den Tisch. Sie hält den Zettel in der Hand, den der Junge über dem Vertretungsplan gestern vollgekritzelt hat. Der Zettel ist aus dem Heft herausgerissen, das Ana gestern nach oben gereicht hat.

„Willst du raten, Bee?“

Grimm zeigt auf die Kanne. „Gibts denn wirklich nirgendwo Tee? Hast du nicht so einen fancy Bar-Schrank, wie die Bosse im Fernsehen?“

Döpfner ignoriert die Frage.

„Es ist wie beim ersten Mal. Weiß du noch? Nach unserem ersten Gespräch über deine Rolle hier auf Krahenstein?“

„Ha! Meine Rolle! Es war eher ein Ich-brauche-dingend-deine-Hilfe-Gespräch, weil du Niklas für unfähig hältst.“, sagt Grimm. 

„Er bekommt vor der Klasse keinen geraden Satz heraus. Er packt das nicht und du weißt es genau!“

Grimm zeigt wieder auf die Kanne. 

„Ich wette, Dorothea, Deine Bonzen-Eltern kriegen literweise Tee, wenn sie hier sitzen und ihre verwöhnten Sprösslinge anmelden!“

„Für Vierzigtausend im Jahr kriegen sie auch Schampus und Schnapspralinen, wenns nötig ist!“

Blick zu Sina. 

„Nicht deine Leute, Sina. Ihr kriegt den Spezialtarif.“ 

Die Direktorin beugt sich zu ihr herüber.

„Was hat der Junge dir gesagt? Als er da… an der Wand klebte.“

„Nichts weiter. Nur ‚Zettel und Stift‘.“

„Mehr nicht? Es ist wichtig. Überlebenswichtig, Sina! Weißt du überhaupt, wer er ist?“

„Sebastian, glaub ich.“ Annika hatte das gestern Abend erwähnt. „Irgendwas mit Sebastian.“

„Sebastian Liebwitz von Stöckendorf. Er ist der Sohn von Helmut und Adelind von Stöckendorf!“

„Ach! Von Stöckendorf!“ ruft Grimm. „Ich wette, die kriegen jede Menge Tee, wenn sie fragen!“

„Wenn die wollen, Bee, dann kaufen die einfach alle Teeplantagen von Darjeeling. Oder sie kaufen die Schule hier und machen einen Braunkohletagebau draus. Also, Sina: Was genau hast Du gehört?“ 

Die Direktorin rutscht noch näher an Sina heran. Sie riecht nach kalter Zigarette. Scheint die Zeit der Gerüche zu sein. Sina hasst es, wenn Menschen ihr zu nahe kommen. Und dann…: Erst Junior von Stöckendorfs Blueberry-Vape-Atem gestern Abend und jetzt Döpfners Nikotin-Schweiß. 

„Sina! Nur ‚Stift und Zettel‘? That’s it?!“

„Ja. Versprochen. Ehrlich! Was ist denn damit?! Und mit dem Heulen? Was bedeuten die Zahlen und die Buchstaben?“

„Soll ich raten?“ fragt Grimm. „CH… Gefolgt von Zahlenkolonnen. Es ist ein Nummernkonto, richtig? In der Schweiz.“

„Ja. Und wie beim letzten Mal ist der Zettel vollgekritzelt mit Dingen, die Sebastian über die Steuertricks seiner Eltern weiß. Sehr viele Dinge. Bee, welcher Siebzehnjährige kennt das geheime verdammte Nummernkonto seiner Eltern in der verdammten scheiß Schweiz? Auswendig?! Genau wie beim letzten Mal.“

„Was war denn beim letzten Mal?“ Sina rückt soweit wie möglich von Döpfner weg und schaut in die Runde.

„Beim letzen Mal, vor drei Monaten, da klebte Haldersleben oben im Kunstraum an der Decke“, sagt Döpfner. 

„Hat Einzelheiten der Waffen-Deals seines Vaters mit den Saudis in Linoleum geritzt. Zum Glück war’s die Klasse von Roberta. Die ist at once in Ohnmacht gefallen und die Schüler*innen haben mich geholt.“

Roberta? Sina kennt den Namen von der Lehrer*innen-Liste. Roberta Liebetruth. Das ist ihre Kunstlehrerin.

„Glück gehabt, dass du als erste da warst“, sagt Grimm, aber ihr Gesicht sagt das Gegenteil. Sie bedauert es aufrichtig. Wenn es nach Grimm ginge, stünde das Ganze irgendwo fett in der Zeitung: Waffenhändler-Söhnchen bringt Vati in den Knast!

Döpfner springt auf.

„Ich frag Dich noch Mal, Bee! Hast du irgendwas damit zu tun?“

„Nope. Ehrenwort! Ich schwöre! Beim ersten Mal saßen wir beide zusammen in diesem Zimmer hier. Oder nicht?! Und heute war ich unten im Trakt der Schwarzen Klasse. Frag Sina, die war dabei.“

„Ich weiß, wo du warst, Bee. Ich frage, ob du irgendwas damit zu tun hast?! Als ich gestern Abend am Vertretungsplan ankam, standest du unter von Stöckendorf mit einer Freak-Schülerin auf den Händen… 

Sorry Sina. You get the point.“

Grimm steht auf. Sie schüttelt den Kopf und winkt Sina zu sich.

„Niklas wartet unten auf Sina. Und ich brauche meinen Tee.“

Zögernd steht Sina auf und folgt Grimm. Beffaná. Sie sind ja beim Du…

Dann bleibt sie stehen und dreht sich noch einmal um.

„Frau Dr. Döpfner, als ich mit meinen Eltern hier bei Ihnen zum Gespräch war, haben Sie ihnen… gesagt, was es mit der Schwarzen Klasse auf sich hat? Wussten sie Bescheid?“

Döpfner stutzt.

„Du meinst, dass ihr diese Sache am Laufen habt?“

„Dass wir Freaks sind. Ja. Das ganze Ding mit der Normalzeit, den Meetings am Sonntag. Und dass wir vorbereitet werden, Freaks zu bleiben. Unser ganzes Leben lang.“

„Nein“, sagt Döpfner. „Ich spreche das Thema möglichst wenig an. Ist nicht so mein Fachgebiet, du verstehst, ja? In der Regel wissen die Eltern das meiste schon. Von den Berater*innen. Wer hat dich empfohlen? Appelbaum, richtig? Aber ich hab ihnen natürlich das Merkblatt mitgegeben. Hast du das nicht bekommen? Nein? Ich kann’s dir gerne noch mal mitgeben. Das ist ja ein Ding. Tse. Eltern, oder? Manchmal sind sie noch schusseliger als ihre Kinder!“

Döpfner greift in eins ihrer Fächer und drückt Sina einen bunt bedruckten Zettel in die Hand. Dann bleibt hinter ihrem Stuhl am Konferenztisch stehen. 

„Und Bee, keine klebenden Schüler mehr, klar? Auch wenn du’s nicht warst, es wäre sehr nett, wenn du hilfst, weitere Vorfälle zu verhindern.“

„Wie soll das möglich sein? Wie kannst du weitere Vorfälle verhindern?“ fragt Sina, als Beffaná und sie die Treppe zur Schwarzen Klasse hinunter gehen.

„Weiß nicht“. Grimm setzt sich beim vorletzten Absatz auf das Treppengeländer und rutscht bis zum Ende hinunter. 

„Ist auch unwichtig. Grüß Niklas von mir. Nein, nicht! Ehrlich nicht. Der wird total wütend, wenn er kapiert, dass ich da bin.“ 

„Aber wieso weiß die Direktorin von dir? Warum kann sie dich sehen, kann ich dich sehen, aber alle anderen nicht?“

„Kannst du das?“ 

Grimms Stimme am Fuß der Treppe verhallt im Nichts und sie ist nirgends mehr zu sehen.

Der Unterricht bei Herrn Niederlage ist ein einziges Chaos. Wieder mal. Statt irgendwelche Belanglosigkeiten über das Mittelalter oder die deutsche Rechtschreibung zu lernen, findet Sina die Klasse, wie sie in Zweier-Pärchen seltsame Übungen macht. 

„Gut, dass du da bist, Sina“, sagt Niederlage und schickt sie an den Tisch ganz hinten in der Ecke. Dort sitzt Ovid, ein stiller, sehr zerzauster Junge mit langen, verfilzten Haaren. 

„E-es ist mir sehr unangenehm und auch u-unpassend, a-aber es hat einen V-vorfall gegeben. D-drüben im N-neubau…“

Oh, denkt Sina. Er stottert deutlich stärker. Muss was Ernstes sein.

„E-es sind L-läuse. V-viele Läuse! U-und n-natürlich sch-schieben sie e-es auf u-uns. E-euch.“

WTF. Die Bonzen haben Läuse und wir sind schuld? 

„Sorry“, murmelt Ovid. „War keiner mehr übrig und Emil aus meinem Zimmer ist krank. Aber wenn das nicht okay ist.“

„Ach, Blödsinn.“ 

Sina setzt sich neben ihn und beugt den Kopf zu ihm rüber. 

„Ich hoffe, ich hab den ganzen, verdammten Kopf voll. Denn dann habe ich gerade Döpfner und… dann hab ich Döpfner angesteckt und sie muss in ihrem Büro in der Quarantäne verrotten.“

Doch es ist alles okay. Und Ovid ist sehr vorsichtig. Eigentlich ist es sogar richtig süß, wie er vor jedem Griff in ihre Haare erklärt, was er vorhat und jedes Mal fragt, ob das okay ist. 

Dann wechseln sie. Inzwischen ist die halbe Klasse fertig und niemand hat irgendetwas gefunden außer ein paar Schuppen und Pickeln, worauf jedes Mal laut hingewiesen wird. Allerdings nicht zu laut, denn natürlich hat jede*r Sorge, dass es sie*ihn gleich noch schlimmer treffen könnte. 

Niederlage ist echt ein mieser Lehrer, denkt Sina. Sowas in der Klasse zu machen vor all den anderen Mitschüler*innen…! Doch überraschenderweise gibt es keine wirklich peinlichen Momente oder miesen Grenzüberschreitungen. Wäre in meiner alten Klasse sehr viel anders gelaufen, denkt Sina, als sie Ovids Haare zur Seite streicht und… etwas krabbeln sieht! Eigentlich ist sie schon fast fertig mit Suchen und keinesfalls ist der Befall wirklich schlimm bei ihm. Doch was Sina zwischen ihren Fingern krabbeln sieht, ist eindeutig.

„Oh, verdammt, Ovid“, flüstert sie, „du hast da was. Ich denke, das ist tatsächlich eine Laus.“

Insgesamt sind es vielleicht drei oder vier Läuse, direkt hinter Ovids Ohr. Sina und er stehen leise auf, gehen nach vorne zu Niederlage, geben ihm ein Zeichen und folgen ihm vor die Tür.

„H-hast du es?“, fragt er und Ovid nickt. „Shit, ich hab keine Ahnung woher! Ich…“

„Warst du in letzter Zeit drüben?“, fragt Niederlage. 

„Ja klar, ich hatte ja Tischdienst. Die ganze letzte Woche. Aber ich war nur in der Küche.“

„Ich hab nur drei bei ihm  gezählt“, sagt Sina. „Wie schlimm ist es denn drüben? Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass Ovid sich drüben angesteckt hat?“

„Oh j-ja“, sagt Niederlage. „Hilft aber nichts. Sie werden es uns in die Schuhe schieben.“

Er seufzt. 

„Ovid, du gehst hoch ins Krankenzimmer. Die haben bestimmt ein Mittel. Und du Sina…“

„Na klar, ich geht mit“, sagt Sina. 

„Nein, ich meinte, wir gehen zusammen wieder in die Klasse…“

„Es wäre total nett. Hilfreich“, sagt Ovid und blickt auf den Boden.

„Hm. Aber haltet A-Abstand!“ 

Niederlage zuckt mit den Schultern und wendet sich zur Klassentür. 

„E-Einmal Läuse reicht mir. Am besten S-Sina bekommt auch gleich eine Spülung oder was immer sie mit Euch m-machen.“    

„Weißt du, was genau du bist? Oder wirst?“ 

Sina wollte Ovid das eigentlich nicht fragen. Aber es kommt einfach aus ihr heraus. Zu Sinas Erleichterung macht ihm die Frage nichts aus.

„Nicht sicher.“

„Lass mich raten: Ein Wolf?“

„Bestimmt nicht. Ich habe einen miesen Geruchssinn. Ich rieche fast nichts.“

„Ein Bär?“

„Das sind Tiere, Sina, keine …Wesen wie wir. Magst du meine wilden Haare nicht?“

„Sie sind verfilzt, Ovid.“

„Sag ich ja. Verfilzt und wild. Ich mag es so.“

„Ich… Ich ja auch.“ 

Sina merkt, dass sie rot wird. „Also, was bist du?“

„Na ihr beiden Turteltäubchen? Was geht ab?“

Auf der Treppe nach oben sitzt Beffaná Grimm und winkt ihnen zu.

„Kannst du sie sehen?“ Sina blickt ihn an.

„Ja“, sagt Ovid,. „Wer ist das? Wer sind sie?“

„Weißt du, Kleiner, das frag ich mich die Hälfte des Tages selbst. Aber fürs Erste darfst du Bee zu mir sagen. Oder was denkst du, Sina? Bee ist ziemlich fresh, oder? So redet ihr doch, oder? ‚Was geht ab?‘ Und ‚fresh‘. Oder nicht?“

„Es klingt falsch, wenn du es sagst.“ Sina ist erleichtert. Endlich kann jemand aus ihrer Klasse Beffaná sehen!  

 „Was machst du hier?“

„Ich will die Läuse probieren, Kinder! Darf ich?“

Beffaná springt auf und schnüffelt sehr ungeniert an Ovids Kopf herum.

„Ah ja, da seid ihr ja! Und so ein Glück, Braun! Klarer Fall! Was sagst du, Sina? Ist doch so!“

„Äh, ich hab keine Ahnung wovon sie redet.“

Sina versucht, sich vor Ovid zu stellen, damit Grimm ihn in Ruhe lässt. Doch Beffaná langt an ihr vorbei, direkt in Ovids Haare neben seinem Ohr.

„Ha, Treffer! Und…“ Zu Sinas Entsetzen steckt Grimm sich, was immer sie hinter dem Ohr hervorgeholt hat, in den Mund.

„Ich wusste es! Vollmilch! Treffer versenkt!“

„Was bedeutet das?“ Sina schiebt den völlig konsternierten Ovid so weit es geht von Grimm weg und stellt sich wieder vor ihn. 

„Was meinst du damit?“

„Damit meine ich, dass jemand absichtlich die Aliens mit Nikoläusen infiziert hat. Und ich, Beffaná Grimm, die größte Weihnachtshexe der Welt, die Retterin der Armen und Gebeutelten, der Hungrigen und Entrechteten, habe keinen blassen Schimmer, wer das sein könnte! Verflixte Elefantenkacke!“

Und damit ist sie verschwunden. 

„Du hast sie die ganze Zeit gesehen und gehört. Oder?“

„Ja klar! Wer war das? Wieso sagt sie, dass sie Beffaná ist?“

„Schätze, weil das ihr Name ist: Beffaná Grimm, die Weihnachtshexe.“

„Witzig. Letztes Jahr war ich Beffaná.“

„Hä?“

„Im Advent. Jedes Jahr ist einer Beffaná und muss wichteln.“

„Und wer  ist es dieses Jahr?“

Ovid lacht: 

„Na ganz offensichtlich sie! Wie auch immer sie in echt heißt!“

„Aber sie sagt, sie IST die ECHTE Beffaná!“

„Und ich bin die Zahnfee. Sina, die vereimert dich!“

„Nein, Sie war es! Sie hat mich gestern auf den Händen gehalten!“

„Nur macht das keinen Sinn. Ich habe sie doch jetzt gesehen. Und gestern Abend, da standen wir alle unten am Vertretungsplan. Da habe ich definitiv keine Weihnachtshexe gesehen. Auch keine Zahnfee und nicht mal den Nikolaus. Warum sollte deine Beffaná so etwas tun? Mal sichtbar sein, mal unsichtbar?“

„Und du findest es logischer, dass ich geflogen bin?!“

„Come on. Du gehörst zur Schwarzen Klasse! Fliegen gehört zum Alltag bei uns. Nur, dass du dich offensichtlich nicht an die Regeln hältst. Normalzeit und so…“

Er glaubt mir nicht. Niemand glaubt mir! Das ist doch verrückt!

Sina gibt fürs Erste auf. 

„Lass uns später drüber reden. Wir müssen ins Krankenzimmer“

 Ovid blickt in die Leere. 

„Wäre natürlich super, wenn sie zumindest mit den Läusen recht hat. Vollmilch ist cool. Ich mag Vollmilch.“

Sina versucht zu lächeln

„Ich auch. Total. Lass uns ins Krankenzimmer gehen. Meinst du nicht?“

„Ja. Es sei denn, du willst vorher meine Haare ablecken… Überleg mal: Vollmilch!“

„Brrrg… Nee Danke. Was ist eigentlich mit der anderen Sache? Du bist kein Wolf. Was bist du dann? Was ist dein doom?“

„Es ist Normalzeit, Sina“, sagt Ovid und hält Sina die Tür zum Lehrer*innentrakt auf, in dem sich auch das Krankenzimmer befindet. 

„Wir reden später darüber. Versprochen.“